Über Geld spricht man.

Wie Arbeit fair vergütet werden kann und warum von Transparenz alle profitieren.

Wie Arbeit fair und wertschätzend vergütet werden kann und warum von Transparenz am Arbeitsmarkt alle profitieren.

Steffi (29) arbeitet im Office Management bei einer Digitalagentur und verdient für 35 Stunden die Woche 2800 Euro brutto. Noah (24) ist Junior Manager und verdient bei seiner Vollzeitstelle 2700 Euro brutto. Timna (28) bekommt als Volksschullehrerin mit voller Lehrverpflichtung 3500 Euro brutto und Livia (26) verdient als Marketing-Managerin 3280 Euro brutto.

Foto von Chesran GliddenIst dir das jetzt irgendwie unangenehm, so private Details zu erfahren? Oder bist du eigentlich froh, dass endlich mal jemand sagt, was Sache ist? So oder so sollten wir uns fragen: Warum ist Gehalt in Österreich so ein Tabuthema? Warum wird nur hinter verschlossenen Türen mit gedämpfter Stimme über Zahlen gesprochen? Wie sollen wir hier jemals einen Überblick darüber bekommen, was fair, marktgerecht und üblich ist?

Genau das hat sich die Arbeitgeber*innenbewertungsplattform kununu im Jahr 2019 auch gedacht und den Gehaltscheck eingeführt. Arbeitnehmer*innen können hier anonym ihr Gehalt angeben und füttern somit eine Datenbank, die es einem erlaubt, das eigene Gehalt zu vergleichen: Ist das branchenüblich, über- oder unterdurchschnittlich, meinem Alter entsprechend usw. Neben dem Gehalt können aber auch Insights zur Unternehmenskultur und Feedbacks von aktiven und ehemaligen Mitarbeiter*innen der Firma eingesehen werden. Also eigentlich genau das, was man vor Beginn eines neuen Jobs gerne wissen möchte. Oder auch während eines Jobs, denn immerhin entwickelt man sich weiter, möchte sich abgleichen und findet nach zwei Jahren Berufserfahrung ein anderes Gehalt angemessen als am Anfang.

Aber auch die Arbeitgeber*innen profitieren von den ehrlichen Einblicken, ist sich Chesran Glidden, Head of B2B bei kununu, sicher: „Die Arbeitgeber*innen bekommen eine facettenreiche Außendarstellung, was für sie das perfekte Aushängeschild ist. Beide Seiten profitieren von der Transparenz, weil die Firmen so auch die richtigen Talente für sich finden.“ Chesran befasst sich in ihrem Job vorrangig mit der Arbeitgeber*innenseite und möchte die Unternehmen dazu befähigen, die Plattform optimal für sich zu nutzen und somit die passenden Personen für sich anzusprechen. Als direkte Schnittstelle weiß sie genau, was am Arbeitsmarkt – von beiden Seiten – gefragt ist.

„Die Zeiten, wo ein Obstkorb und ein Tischtennistisch als super Benefits angepriesen wurden, die sind Gott sei Dank vorbei!“,

meint sie. Ohne ausgewogene Work-Life-Balance, Flexibilität und persönliche Weiterentwicklung geht nichts mehr.

Das kann auch Lea bestätigen. Die 25-Jährige hat ihren Bachelor in Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Uni Wien abgeschlossen und ist gerade dabei, erste Berufserfahrung zu sammeln. Neben einem fairen Gehalt ist ihr vor allem ein wertschätzendes Arbeitsumfeld mit Vertrauen und regelmäßigem Feedback wichtig. Sie ist motiviert und engagiert und natürlich noch am Austesten. „Für mich als Berufseinsteigerin, die noch nicht viele Ausgaben hat, sind die Prioritäten aktuell nicht beim Gehalt. Mir ist das Sammeln von Erfahrung und das Interessensgebiet derweil wichtiger als das große Geld zu verdienen.“

Gerade am Anfang geht es vielen so und Chesran Gliddens Rat dazu: In sich horchen!

Vieles muss man einfach ausprobieren, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, was einem selbst wichtig ist. 

Natürlich ist es ganz toll, wenn man die Chance hat, verschiedene Jobs und Aufgabenbereiche auszutesten, aber in gewissen Branchen muss man darauf achten, dabei keine Selbstausbeutung zu betreiben.

Lea gibt zu, sich hier auch schwerzutun: „Vor allem, wenn man etwas beginnt, ohne große Vorerfahrung, ist es schwer abzuschätzen, wie viel Gehalt einem zusteht. Eine faire Bezahlung ist natürlich wichtig, aber gleichzeitig will ich nicht zu viel erwarten oder verlangen.“Ohne Frage, für sich selbst einzustehen erfordert viel Übung, Überwindung, Selbstbewusstsein und auch einfach Erfahrung.

Foto von Lea (25)Wer sich mit der Generation Z etwas mehr auseinandersetzt, wird aber schnell merken: Gehalt steht bei den meisten Berufseinsteiger*innen auf der Prioritätenliste nicht mehr so weit oben wie noch vor einigen Jahren. Eine von kununu im Jahr 2021 durchgeführte Studie* ergibt, dass 60 Prozent der Berufseinsteiger*innen eine ausgewogene Work-Life-Balance als wichtiger erachten als das Gehalt. Bei den 60- bis 65-Jährigen sind das nur 34 Prozent. Dafür würden zum Beispiel 20 Prozent ihren Job kündigen, wenn es keine Möglichkeit des Home-Office mehr geben würde. Gleichzeitig würden 14 Prozent der Befragten auf bis zu 5 Prozent ihres Gehalts verzichten, wenn sie dann komplett flexibel wären und sich immer aussuchen könnten, wo sie arbeiten. Die Schwerpunkte verlagern sich also, was natürlich auch mit der jeweiligen Lebensphase zusammenhängt, wie Lea schon betont. Sie geht auch davon aus, dass sich ihr Bedürfnis nach einem guten Gehalt im Laufe der Jahre, mit der Berufserfahrung, aber auch einfach mit dem Alter verändert. Die Pension scheint mit 25 noch sehr weit weg, mit 35 immer noch, aber die Frage des Sparens und der finanziellen Absicherung rückt trotzdem immer mehr in den Fokus, der Lifestyle verändert sich und natürlich auch der Wert, den man einem Unternehmen bringt.

Aber was heißt das nun?

Wie viel Gehalt ist wann fair? Wie bekommen wir es und ab wann kann man wie viel verhandeln?

„In den Dialog treten kann man immer!“, meint Chesran. Wichtig für die Argumentation ist natürlich zu wissen, wie viel Gehalt marktgerecht ist, und dafür braucht es Transparenz. Zum einen innerhalb eines Unternehmens, aber auch darüber hinaus. In Österreich ist der erste Anhaltspunkt dazu der Kollektivvertrag, der ein Mindestgehalt für jede Branche festlegt.

Viele Unternehmen haben außerdem vordefinierte Gehaltsschemata, die sich aus Studium/Ausbildung, Berufserfahrung, Zusatzqualifi kationen, Persönlichkeit und/oder anderen Parametern zusammensetzen. Diese – oft mals ja durchaus gut argumentierbaren – Stufen würden die Einstufung für Arbeitssuchende enorm erleichtern und hat auch für die Arbeitgeber*innen vorrangig Vorteile. Die Firmen wollen die für sie passenden Talente fi nden, die mir ihren Unternehmenswerten übereinstimmen. Eine gesteigerte Transparenz, zum Beispiel durch konkrete Infos zum Gehalt auf der Karrierewebsite der Unternehmen, würde also beiden Seiten leere Meter ersparen und die gegenseitigen Erwartungshaltungen fairer gestalten. Gleichzeitig kann es nicht schaden, zu wissen was Freund*innen und Bekannte in ähnlichen Positionen verdienen.

Also reden wir über Gehalt! Und zwar in Zahlen!

Während viele Millennials noch mit dem Satz „Über Geld spricht man nicht!“ aufgewachsen sind, tut sich hier jetzt was. In Leas Freund*innenkreis wird das Thema Gehalt sehr offen diskutiert und ausgiebig besprochen. Es werden Zahlen genannt, gerechnet, eingeordnet, verglichen. „Nachdem wir alle anders aufgewachsen sind und einen sehr unterschiedlichen finanziellen Background haben, ist das Thema oft sehr emotional aufgeladen. Und natürlich gibt es da noch das große Thema Gender Equality, was super komplex ist. Darum finde ich den Austausch darüber umso wichtiger, auch um sich gegenseitig zu unterstützen und zu motivieren, für sich einzustehen und aktiv nach einem fairen Gehalt zu verlangen.“

Doch dann wirdʼs erst richtig schwierig, und das werden mir alle, die schon mal eine Gehaltsverhandlung geführt haben, bestätigen. Denn wenn trotz guter Argumente, Power Posing im Vorhinein und selbstbewusstem Auft ritt keine Gehaltssprünge in Sicht sind, frustriert das ungemein. Je nach Branche, Unternehmensgröße und Gehaltsmodellen ist beim Cash oft nicht viel zu machen. Dafür vielleicht bei anderen Benefits, die zur Gehaltszufriedenheit einen großen Teil beitragen. Diese ist nämlich ohnehin nicht alleine am Gehalt festzumachen, sondern setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Die da unter anderem wären:

Arbeitszeitmodelle, Flexibilität, Unternehmenskultur, Arbeitsklima oder auch Weiterentwicklungsangebot.

Chesran Glidden stellt klar: „Man muss hier unbedingt zwischen Vergütung und Wertschätzung unterscheiden!“ Die Vergütung kann, wie gesagt, vielfältig ausfallen und setzt sich aus mehreren Facetten zusammen, wobei eine faire Entlohnung grundsätzlich erfüllt sein muss. Wertschätzung in Form von Coaching-Angeboten, regelmäßigen Feedbacks oder anderen nicht-monetären Benefi ts sind für den Einzelnen zwar Teil der allgemeinen (Gehalts-)Zufriedenheit, aber können und sollen eine fehlende Bezahlung nicht ausbalancieren.

Es wird vermutlich immer Arbeitgeber*innen geben, die versuchen, Berufseinsteiger*innen zu verheizen und zu wenig bezahlen, ganz einfach, weil sie es können und bisher immer wieder Personen gefunden haben, die den Job um das geringe Gehalt gemacht haben. Aber hier ist Veränderung in Sicht! „Auch Arbeitgeber*innen müssen marktgerecht sein, weil sie sonst auch nicht die guten, für sie passenden, Talente anziehen werden. Wenn Arbeitnehmer*innen ein faires Gehalt und ein Maß an Flexibilität fordern und dieses nicht bekommen, müssen die Arbeitgeber*innen mit der Konsequenz leben, dass Recruiting für sie sehr schwierig wird und sich daraufhin auch anpassen, was gut ist!“, betont Chesran Glidden. So wie sich der Arbeitsmarkt gerade wandelt, ist es an den Unternehmen, um die Talente zu werben. In vielen Branchen ist der Fachkräft emangel so enorm, dass Absolvent*innen und Berufseinsteiger*innen sich die Jobs aussuchen können. Freilich ist das nicht in allen Branchen der Fall und für diese gilt: Selbstbewusstsein aufbauen, sich nicht unterbuttern lassen, persönliche Prioritäten setzen und sich, wie Chesran Glidden sagt, immer vor Augen halten „du bist auch nicht mit deinem Job verheiratet“. Also entwickle dich weiter, merke, was dir wichtig ist, und trag deinen Teil zur Transparenz ein. 

*Die zitierte Studie wurde 2021 von kununu mit der KOF Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich zur generellen Gehaltszufriedenheit in Deutschland, Österreich und der Schweiz durchgeführt. 


Dieser Artikel ist in unserem Karrieremagazin Rise erschienen. 

Fotos: kununu.com & Oskar Schmidt



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